Selina Brandt
Das Thema auf den Punkt gebracht
- Allgemein: Selen ist ein wichtiges Spurenelement, das für zahlreiche Körperfunktonen von großer Bedeutung ist, z.B. für das Immunsystem, die Schilddrüse und den Erhalt normaler Haare und Nägel
- Wichtig: Die Selenkonzentrationen in Böden der EU nehmen stetig ab, sodass unsere Lebensmittel immer weniger Selen enthalten und eine Supplementierung sinnvoll sein kann.
- Hinweis: Unbedingt die maximale tägliche Aufnahmemenge von ca. 300 Mikrogramm beachten, da bei einer (langfristigen) Überdosierung einer Selenvergiftung oder sonstige Nebenwirkungen auftreten können.
Selen – was ist das?
Der Name „Selen“ stammt aus dem Griechischen. Es leitet sich vom griechischen Wort „selēnē“ ab, was „Mond“ bedeutet. Selen ist ein Halbmetall mit einem silbergrauen metallischen Glanz, ähnlich dem Aussehen des Mondes. Die Namensgebung spiegelt die visuelle Ähnlichkeit zwischen dem Element und dem Himmelskörper wider. Selen wurde erstmals im Jahr 1817 von dem schwedischen Chemiker Jöns Jacob Berzelius entdeckt und isoliert.
Selen hat vielfältige positive Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Es …
- trägt zur Erhaltung normaler Haare bei.
- trägt zur Erhaltung normaler Nägel bei.
- trägt zu einer normalen Schilddrüsenfunktion bei.
- trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen.
- trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems (körperliche Abwehr) bei.
- trägt zu einer normalen Spermabildung (Bildung von Samenzellen) bei.
Doch leider stehen wir vor einem Problem: Insbesondere die Böden in Europa enthalten zunehmend weniger Selen, was wiederum dazu führt, dass sich Pflanzen weniger stark mit Selen anreichern können. Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, dass der Klimawandel die Selengehalte im Boden (durch Auswaschung) beeinflusst. Rund zwei Drittel der weltweiten Ackerflächen werden voraussichtlich einen Rückgang des Selengehalts aufgrund der Erderwärmung und damit verbundener Klimaveränderungen erfahren. Datenanalysen und -simulationen deuten darauf hin, dass die durchschnittliche Selenmenge im Boden bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um fast 9 % im Vergleich zum Ende des letzten Jahrhunderts abnehmen wird. Der verringerte Selengehalt im Boden erhöht das Risiko, einen Selenmangel zu entwickeln1.
Die Wirkungen von Selen
Wissenschaft und Forschung haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten intensiv mit Selen und seinen spezifischen Effekten auf den menschlichen Organismus beschäftigt. Einige der bedeutendsten Erkenntnisse haben wir zusammengefasst:
Schutz vor Schwermetallen, Toxinen und Karzinogenen
Die Studie von Kiełczykowska et al. betont die protektiven Eigenschaften von Selen gegenüber Schwermetallen, Medikamenten, Mykotoxinen (giftige Stoffwechselprodukte von bestimmten Schimmelpilzen) und Karzinogenen (Substanzen oder Faktoren, die das Risiko von Krebs erhöhen können). Selen wurde als wirksames Mittel zur Vorbeugung von Krebs und zur Verbesserung der Wirksamkeit der Krebstherapie diskutiert2.
Entzündungshemmung
Selen in Form von Selenoproteinen hat antioxidative und entzündungshemmende Effekte3.
Schilddrüse
Selen ist wichtig für die Produktion von Schilddrüsenhormonen und verringert das Risiko von Schilddrüsenerkrankungen3.
Immunsystem
Ein niedriger Selenstatus geht einher mit einem erhöhten Sterberisiko sowie einem geschwächten Immunfunktion3.
Kognitive Leistungsfähigkeit
Ein zu niedriger Selenstatus kann zu kognitivem Abbau führen3.
Antivirale Eigenschaften
Es zeigte sich, dass eine ausreichende Selenzufuhr oder Supplementierung antivirale Wirkungen hat3.
Fortpflanzung
Selen beeinträchtigt die Fortpflanzungsfähigkeit von Männern und Frauen positiv3.
Krebs
Studien haben gezeigt, dass ein höherer Selenstatus das Risiko für bestimmte Krebsarten wie Prostata-, Lungen-, Darm- und Blasenkrebs senken kann, aber die Ergebnisse waren gemischt3.
Haare
Ein Mangel an Selen kann zu einem Haarpigmentierungsverlust führen. Bei Studienteilnehmern wurden niedrige Selenwerte im Blutserum und in den Haaren festgestellt. Die Repigmentierung der Haare begann nach 6-12 Monaten intravenöser Selentherapie. Ähnliche Befunde wurden bei sechs Säuglingen beobachtet, die unter Alopezie (Haarausfall) und Pseudoalbinismus (verminderte Pigmentierung der Haut und Haare) litten. Nach Beginn der täglichen Selentherapie kehrten die Selenwerte im Blutserum wieder in den normalen Bereich zurück (5-15 µg/dl) und die Alopezie sowie der Pseudoalbinismus verbesserten sich.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine angemessene Selenzufuhr wichtig ist, um Haarpigmentierung und Haarwachstum zu erhalten. Die Verabreichung von Selen kann den Selenmangel beheben und die damit verbundenen Haarprobleme verbessern4.
Gewichtsabnahme
Eine Selen-Supplementation führte bei den Studien-Probanden zu einer Veränderung der Körperzusammensetzung, einschließlich einer Abnahme der Körperfettmasse. Nach dreimonatiger Diät verzeichnete die Interventionsgruppe einen signifikanten Anstieg der fettfreien Körper- und Muskelmasse und einen signifikanten Rückgang des Leptinspiegels (ein Hormon, das eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Körpergewichts und des Energiehaushalts spielt) im Vergleich zur Placebogruppe5.
Selen und die Schilddrüse
GUT ZU WISSEN
Eine endokrine Drüse ist eine Art von Drüsen, die Hormone produzieren und in den Blutkreislauf abgibt.
Die Schilddrüse ist eine endokrine Drüse im Halsbereich, die sich vorne am unteren Teil des Kehlkopfes befindet. Sie produziert und speichert Hormone, die als Schilddrüsenhormone bekannt sid, insbesondere Thyroxin und Triiodthyronin. Die Schilddrüsenhormone haben eine Vielzahl wichtiger Funktionen im Körper. Der Selenstatus ist bei gutartigen und bösartigen Schilddrüsenerkrankungen verändert. Verschiedene Selenverbindungen werden zur Vorbeugung oder Behandlung von Schilddrüsen-Krankheiten wie Kropf, Autoimmunerkrankungen oder Schilddrüsenkrebs verwendet.
Die Verabreichung von Selen hat sich sowohl bei Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis) als auch bei leichter Morbus Basedow als wirksam erwiesen, indem sie die klinischen Ergebnisse verbessert, das Wohlbefinden der Patienten steigert und die Thyreoperoxidase-Antikörper senkt. Eine ausreichende Zufuhr von Selen durch eine gesunde Ernährung ist entscheidend für eine gesunde und funktionsfähige Schilddrüse während der [Embryonal-]Entwicklung, in der Jugend, im Erwachsenenalter und im fortgeschrittenen Alter. Selen sättigt die Expression des zirkulierenden Selenoproteins P und ist zusammen mit einer optimalen Aufnahme von Jod und Eisen erforderlich6.
Selen-Mangel-Symptome
- Ein niedriger Selenstatus geht mit einem erhöhten Risiko für Mortalität, schlechter Immunfunktion, kognitivem Rückgang und Autoimmunerkrankungen einher. Es wurden auch mögliche Zusammenhänge zwischen Selen und verschiedenen Krebsarten festgestellt3.
- Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt zudem an, dass ein Mangel an Selen zu Störungen der Muskelfunktion und der Spermienbildung führen kann. Ein Selenmangel tritt hauptsächlich in bestimmten ländlichen Gegenden auf, in denen der Selengehalt des Bodens niedrig ist.
- Ein Mangel an Selen kann zu einer Vielzahl von Symptomen und gesundheitlichen Problemen führen. Ein schwerer Mangel kann sich in einer Kardiomyopathie (Erkrankung des Herzmuskels, bei der die strukturelle Integrität und Funktion des Herzmuskels beeinträchtigt ist) äußern. Ein mäßiger Mangel führt zu weniger schweren Symptomen wie Muskelschwäche und -schmerzen7.
- Ein Mangel an Selen kann sich überdies in „ungünstigen Stimmungszuständen“ [depressiven Verstimmungen] niederschlagen3.
Tagesbedarf und Überdosierung von Selen
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat klare Empfehlungen zur täglichen Selenzufuhr:
- erwachsene Frauen: 60 µg/Tag
- erwachsene Männer: 70 µg/Tag
- Schwangere: 60 µg/Tag
- Stillende: 75 µg/Tag
Es ist möglich, Selen zu überdosieren, wenn übermäßig hohe Mengen eingenommen werden. Es kann unter Umständen sogar toxisch wirken. Die tolerierbare obere Aufnahmemenge (Tolerable Upper Intake Level, UL) für Selen beträgt für Erwachsene in der Regel etwa 300 Mikrogramm pro Tag. Übersteigt die Selenzufuhr diese Mengen, kann es zu einer Überdosierung kommen.
Überschüssiges Selen kann beim Menschen zu Selenose (Selenvergiftung) führen, die Leber, Haut, Nägel und Haare betrifft und sich z. B. in Form von Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hautveränderungen, Haarverlust, brüchigen Nägeln, Müdigkeit, Reizbarkeit und neurologischen Symptome wie Muskelschwäche äußern. In schweren Fällen können Leberschäden, Nervenschäden und Atemprobleme auftreten8.
Außerdem gilt es zu beachten, dass eine Selenzufuhr nur dann von Vorteil ist, wenn der Körper bereits einen Mangel aufweist. Bei Personen, die bereits ausreichende bzw. hohe Mengen an Selen erhalten, könnte eine zusätzliche Einnahme das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöhen3.
Selenhaltige Lebensmittel
Die Selen-Konzentrationen von Lebensmitteln hängt stark vom Selengehalt im Boden ab, in dem Pflanzen wachsen bzw. von den Pflanzen, mit denen Tiere gefüttert werden. Im Allgemeinen haben tierische Lebensmittel die höchste Konzentration, gefolgt von Gemüse, Getreide und Obst (Reihenfolge in absteigender Selenkonzentration) . Innerhalb des Gemüsesortiments sind Kreuzblütlergemüse (Bsp.: Brokkoli und Blumenkohl), Liliengewächse (z. B. Knoblauch und Zwiebeln, Hülsenfrüchte wie Kichererbsen und Linsen, Nachtschattengewächse (beispielsweise Tomaten und Paprika) und Blattgemüse (z.B. Spinat und Grünkohl) besonders selenhaltig. Paranüsse enthalten die größte Menge an Selen unter den untersuchten Lebensmitteln9.
Häufig gestellte Fragen zu Selen
Welche Lebensmittel enthalten am meisten Selen?
Zu den selenhaltigsten Quellen zählen Paranüsse, daneben eignen sich Innereien oder Hühnereier sowie ausgewählte Gemüsesorten.
Wann sollte ich Selen einnehmen?
Selen kann eingenommen werden bei einem (nachgewiesenen) Selenmangel, bei veganer oder vegetarischer Ernährungsweise oder bei erhöhtem Bedarf z. B. in der Schwangerschaft und Stillzeit.
Wann sollte man Selen nicht einnehmen?
Von einer Selen-Supplementierung sollte abgesehen werden bei Allergie oder Überempfindlichkeit, bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) sowie bei Nierenproblemen (z. B. bei Niereninsuffizienz), da ein zu hoher Selenspiegel die Nieren belasten und zu weiteren Komplikationen führen kann.
Referenzen
- Jones GD et al.: Selenium deficiency risk predicted to increase under future climate change. PNAS 114(11): 2848–2853 (2017).
- Kiełczykowska, Małgorzata, et al. „Selenium-a fascinating antioxidant of protective properties.“ Adv Clin Exp Med 27.2 (2018): 245-255.
- Rayman, Margaret P. „Selenium and human health.“ The Lancet 379.9822 (2012): 1256-1268.
- Masumoto K., Nagata K., Higashi M. et al. Klinische Merkmale eines Selenmangels bei Säuglingen, die eine langfristige Ernährungsunterstützung erhalten. Ernährung. 2007; 23 (1–12):782–787.
- Cavedon E, Manso J, Negro I, Censi S, Serra R, Busetto L, Vettor R, Plebani M, Pezzani R, Nacamulli D, Mian C. Selenium Supplementation, Body Mass Composition, and Leptin Levels in Patients with Obesity on a Balanced Mildly Hypocaloric Diet: A Pilot Study. Int J Endocrinol. 2020 May 28;2020:4802739. doi: 10.1155/2020/4802739. PMID: 32565792; PMCID: PMC7275228.
- Köhrle J. Selenium and the thyroid. Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes. 2015 Oct;22(5):392-401. doi: 10.1097/MED.0000000000000190. PMID: 26313901.
- Koller LD, Exon JH. The two faces of selenium-deficiency and toxicity–are similar in animals and man. Can J Vet Res. 1986 Jul;50(3):297-306. PMID: 3527390; PMCID: PMC1255217.
- Alexander J. Selenium. Novartis Found Symp. 2007;282:143-9; discussion 149-53, 212-8. PMID: 17913229.
- Hu W, Zhao C, Hu H, Yin S. Food Sources of Selenium and Its Relationship with Chronic Diseases. Nutrients. 2021 May 20;13(5):1739. doi: 10.3390/nu13051739. PMID: 34065478; PMCID: PMC8160805.
Danke für den Beitrag. Gut zu wissen, dass ein höherer Selenstatus das Risiko, an Blasenkrebs zu erkranken, senken kann. Mein Freund hat ein erhöhtes Risiko aufgrund seiner Familiengeschichte und ich werde ihm das sagen.